Systemzeit

  • Bombensplitter aus Steinheim
  • Suppenkelle aus der Volksküche in der ehemaligen Metzgerei Kailing,
    1930er und 1940er Jahre
  • Festschrift/Programm „Sonnenwendfeier“, 1934, aus Sammlung von Dr. med. Otto Kunkel
  • Frankfurter Volksblatt vom 16. Juni 1935, aus Sammlung von Dr. med. Otto Kunkel
  • Ledermappe mit Rationierungen, Nachkriegszeit

Im August 1945 bezeugte der Klein-Auheimer Jude Fritz Nachmann, dass der Landwirt Spielmann aus Groß-Steinheim an der „Judenaktion“ nicht beteiligt gewesen war und ihm sogar geholfen hatte in der „Systemzeit“. In beiden Steinheims spiegelten die Wahlergebnisse der Reichstagswahlen in der ersten Hälfte der 1930er Jahre nationalsozialistische Tendenzen von einem Teil der Einwohner wider und so ist es keinesfalls verwunderlich, dass es während des NS-Regimes neben Mitläufern auch viele Täter gab, nach welchen man nach dem Krieg suchte, um sie einer gerechten Strafe zuführen zu können.

Die Weltwirtschaftskrise zum Ende der 1920er Jahre hatte auch Steinheim stark getroffen. Gerade die Arbeiterbevölkerung Klein-Steinheims musste um die 600 Arbeitslose verkraften. In dieser Zeit begann der Aufstieg der Nationalsozialisten, welcher mit der Machtübertragung 1933 einen vorläufigen Höhepunkt fand und in Steinheim zur Absetzung der beiden amtierenden, demokratisch gewählten Bürgermeister führte.

Adolf Hitler besucht 1939 das Infanterieregiment List in Klein-Steinheim. Diesem gehörte er im Ersten Weltkrieg selbst an.

Bild: HGV Steinheim

Postkarte „Heilgrüße aus Groß-Steinheim a. Main“ 1940

Bild: Medienzentrum Hanau-Bildarchiv / MZHU3920_F05

1936 wurde als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit dem Bau des ca. 50 Meter hohen Wasserturms begonnen, welcher noch heute ein unübersehbares Beispiel für Propaganda-Architektur ist. Die am Turm aufgebrachten Parolen und Zeichen wurden nach dem Krieg demontiert. 1938 wurden Klein- und Groß-Steinheim durch die Verfügung des Gauleiters und Reichsstatthalters zur Stadt Steinheim am Main zusammengelegt. Im gleichen Jahr wurde das Friedensdenkmal, welches schon Jahre zuvor immer wieder propagandistisch missbraucht wurde, beschädigt (1940 zerstört).

Ebenfalls 1938 wurde die Synagoge verwüstet und die Thora verbrannt. Dass die Synagoge selbst nicht in Brand gesetzt wurde, scheint wohl auch der Feuerwehr zu verdanken gewesen sein, da diese sich weigerte, sich an den Brandstiftungen der Novemberpogrome zu beteiligen.

1939 begann der Zweite Weltkrieg und damit eine Zeit des Leids, der Entbehrungen, der Tragödien und des Grauens in ganz Europa und der Welt. Durch Auswanderung, Inhaftierung, Verschleppung und Mord wurde Steinheim bald als „judenfrei“ gemeldet. 1940 gab es den ersten Fliegeralarm in Steinheim und die Scheinwerferbatterie (heute Sportplatz am Pfaffenbrunnen) erhellte den Himmel, die Flaks der Umgebung feuerten und das Motorengeräusch der Flugzeuge erschien oftmals ohrenbetäubend. Ein Jahr später waren es bereits 48 Alarme. 1944 wurde ein Haus in der Zeppelinstraße getroffen, ebenso eines in der Wilhelminenstraße, wo einige Tote zu beklagen waren. Bei einem Angriff auf Hanau im Januar und beim Großangriff im März 1945 gab es auch Opfer auf Steinheimer Seite. Es wurde hauptsächlich die Gegend um die Uferstraße getroffen, wohl aufgrund der Nähe zu den Mainbrücken, des Hafens, der Flak-Stellung und der Hanauer Innenstadt.

Steinheim wurde nie gezielt angegriffen, Hanau jedoch letztlich in Schutt und Asche gelegt. Viele Bombenopfer aus Hanau flüchteten über den Main nach Steinheim, von wo aus man den glutroten Feuerschein der brennenden Stadt lange Zeit sehen konnte. Am Palmsonntag kam die US-Army über Groß- und Klein-Auheim nach Steinheim, die sich zurückziehende Wehrmacht sprengte kurz zuvor noch die beiden Steinheimer Mainbrücken, um der US-Army den Weg zu versperren.

Damit war der Krieg in Steinheim vorbei. Neben den Kriegsrückkehrern kamen auch Vertriebene aus dem Osten in die Stadt. Viele Steinheimer fanden in den Kriegszeiten den Tod als Soldat, Bombenopfer oder durch Ermordung. Die amerikanischen Besatzer ermöglichten eine rasche Rückkehr in ein demokratisches und zukunftsgewandtes Leben und schon ein Jahrzehnt nach Kriegsende sollte Steinheim wieder besseren Zeiten mit Wachstum und Wohlstand entgegensehen. Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus dauert bis heute an. Gerade in der aktuellen Zeit muss die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit mehr als nur eine Mahnung sein.

 

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