Selbst Elvis Presley soll laut Zeitzeugen während der Zeit seiner Stationierung bei der US-Army in Friedberg zum Ende der 1950er Jahre die Steinheimer Kneipenszene besucht haben. Es waren vor allem die amerikanischen Besatzer, die in diesem und den folgenden Jahrzehnten für ein Aufblühen der lokalen Gastronomie sorgen sollten. Während in den 1960er und 1970er Jahren auf der anderen Seite des Mains in Hanau die Beatmusik, der Jazz und der Rock’n’Roll mit vielen Livekonzerten (Johnny Cash, Bill Haley, The Monks oder auch die Tielman Brothers) in unzähligen Bars und Clubs die Amerikaner und Einheimischen anzogen, gab es in Groß-Steinheim einen überregional bekannten Anlaufpunkt für junge Leute, Paradiesvögel, Musiker und Nachtschwärmer: die Discothek und Kneipe Drehorgel.
Deren damaliger Inhaber war Werner Sassen. Durch seine Arbeit im Management bei der Musikfirma CBS und als einer der Initiatoren der Fernsehreihe „Beat Beat Beat“ nahm er die Musiker und deren Gefolge nach ihren Shows und Auftritten einfach mit in seine eigene Disco, in welcher es ebenfalls Livemusik oder Musik von der Platte gab. In dem nur bis zu 150 Gäste fassenden Lokal konnten die Stars ungestört mit ihren Freunden und normalen Gästen ausgelassen die Nacht zum Tag machen.
DJ Michael Thimm und Chris Howland mit weiblichen Gästen in der Drehorgel, 1960er Jahre
Bild: Gerhard Jakob
DJ Michael Thimm mit Sängerin Manuela, 1960er Jahre
Bild: Gerhard Jakob
So konnte man mit den Musikern von Deep Purple, Manfred Mann, Dave Dee, The Lords oder Graham Bonney tanzen und trinken, mit Chris Howland bis zum Morgengrauen pokern oder dabei zusehen, wie ein Bandmitglied von Jimi Hendrix den DJ ablöste, um selbst aufzulegen, während Hendrix ausgelassen zur Musik tanzte, auf der Gitarre spielte und sich mit einem extra von der Mutter des Steinheimers Eugen Krammig geschmierten Wurstbrot stärkte. Krammig selbst war für einige Zeit Roadie von Pink Floyd und brachte die Band einfach in einer der vielen Nächte mit in seine Heimatstadt zum exzessiven Feiern. Nachdem Sassen das Lokal abgab, lief es unter dem Namen Alt Steinheim bis 1993 unter mehreren Wirten weiter.
Die Drehorgel war aber nicht der einzige Ort für hochkarätige Musik in Steinheim. So gab es in den 1980er Jahren mit dem Druckhaus in der ehemaligen Druckerei am Main eine große Halle für Livemusik, Disco, Theater, Cabaret und Bühnenshows. Highlight war hier sicherlich der Auftritt von The Mamas & Papas mit Scott McKenzie, mit den Candles im Vorprogramm. Im Druckhaus war fast an jedem Abend der Woche was geboten und die Tanzfläche und der Biergarten oft stark überlaufen. In den 1990er Jahren gab es dort mit dem Shooters eine American Sportsbar.
Den letzten Punkt des Nachtlebens in Steinheim setzte der Disco-Club Millenium für einige Jahre um die Jahrtausendwende. Die im Gewerbegebiet gelegene Discothek zog zu den freitäglichen Hip-Hop-Partys regelmäßig bis zu 1.000 Gäste aus nah und fern an, darunter hauptsächlich in der Region stationierte US-amerikanische Soldaten. In diesen Tagen konnte man im Club für einige Zeit mit drei Währungen bezahlen: D-Mark, Euro und US-Dollar. Die Amerikaner waren ein letztes Mal von großem Einfluss für das Nachtleben der Region. Nicht nur in Steinheim schlossen während und nach deren Abzug viele Lokalitäten.
Leihgeber
- Tapetenreste, Fundstücke, signierte Eintrittskarte, Monatsprogramm: Rudolf Kittner
- Eintrittskarte und Streichholzschächtelchen: Gerhard Jakob