Die erste Erwähnung von Juden in Steinheim findet sich in den Zeitraum kurz nachdem Steinheim zur Stadt wurde. Im Jahr 1335 gab König Ludwig der Bayer dem Eppsteiner Gottfried die Erlaubnis, „in der Stadt uff der Burg zu Steinheim zehen Gesesse Juden“ anzusiedeln. Dass es zehn Haushalte waren, diente dem jüdischen Brauch, Gottesdienste erst ab der Anwesenheit von 10 jüdischen Männern abzuhalten. So konnte die erste jüdische Gemeinde in Steinheim entstehen. Gottfried erhoffte sich sicher finanzielle Vorteile, die Juden fanden im Gegenzug eine sichere, stete Heimat. Heute erinnert daran unter anderem die Harmoniestraße (Judengasse), in welcher sich neben einem Bethaus auch ein Haus, in welchem sich eine Mikwe befunden hatte. Von 1830–1860 befand sich das Bethaus in der Amtsregistratur am Schloss, daneben gab es eines in der Neutorstraße. Eine Synagoge gab es im 19. Jahrhundert in der Wenckstraße, im 20. Jahrhundert in der Ingelheimstraße. Der Alte Jüdische Friedhof an der Darmstädter Straße, welcher vermutlich auch schon im Mittelalter existierte, wurde von den Nationalsozialisten 1938 zerstört wie das gesamte jüdische Leben in der Stadt. Heute findet man alte Grabsteine von dort am Neuen Jüdischen Friedhof in der Odenwaldstraße.
Stellvertretend für das Schicksal der Steinheimer Juden während der nationalsozialistischen Verfolgung soll ein Auszug aus der Geschichte von Jakob und Emma Oppenheim erzählt werden: Emma Stein (geb. 22.06.1880 in Groß-Steinheim) heiratete den 4 Jahren jüngeren Kaufmann Jakob Oppenheim (geb. 01.01.1884) aus Abterode/Eschwege. Beide betrieben ein Textilwarengeschäft in der Steinheimer Vorstadt 24, wo sie auch wohnten. Gemäß einer Zeitungsanzeige handelte es sich um das „Erste und älteste Manufakturwarengeschäft“ in Steinheim. Über die Erlebnisse des 10. November 1938 berichtet der Nachbarsjunge Josef Seuffert über die Zerstörung der letzten Steinheimer Synagoge an der Darmstädter Straße durch die SA-Standarte 168:
Neue Synagoge, um 1931
Bild: Medienzentrum Hanau-Bildarchiv / MZHU3713_E6
Stolpersteine zum Gedenken an Jakob und Emma Oppenheim in der Steinheimer Vorstadt 24
Bild: Kai Jakob
„… Aber die Erlebnisse des Tages waren noch nicht zu Ende. Franz kam zum Abendessen zu spät. Niemand schimpfte deswegen. Er aß kaum etwas. Gleich war er wieder am Fenster. Gegenüber wohnten Juden, die ein Textilgeschäft hatten. Sie hatten die Läden zugemacht. Aber durch die Ritzen konnte man sehen. Franz sah, wie SA-Leute die Wäsche aus den Regalen rissen. Dann kam die jüdische Frau dazu. Die SA-Leute schlugen sofort auf sie ein, warfen sie auf die Erde und traten sie mit Füßen. Da kam der Vater und riss Franz von dem Fenster weg. Er hatte das Schreien der Frau gehört…“.
Jakob Oppenheim wurde in den nächsten Tagen in das KZ Buchenwald verschleppt und am 11. Dezember 1938 dort, unter den Augen der Steinheimer Nathan Selig und Arthur Mayer, öffentlich gehenkt. Emma Oppenheim zog 1939 nach Frankfurt. Von dort wurde sie 1942 mit einem unbekannten Transport deportiert und in einem Konzentrationslager ermordet. Die Tochter der beiden, Irmgard Oppenheim, überlebte, da sie im Jahr 1937 mit dem Schiff S.S. Manhattan von Hamburg nach New York auswanderte, wo sie 1940 heiratete. Im Jahr 1944 nahm sie die amerikanische Staatsbürgerschaft an.
Viele jüdische Steinheimer fanden in der Zeit des Nationalsozialismus den Tod. An das Schicksal der Steinheimer Juden erinnert eine Gedenktafel am Friedensdenkmal. Seit dem Jahr 2011, initiiert von Steinheimer Bürgern, dem Geschichtsverein und den drei Kirchengemeinden, werden in Steinheim sogenannte Stolpersteine (Infoflyer a. d. Museumskasse) des Künstlers Gunter Demnig verlegt. Dabei handelt es sich um Messingplatten mit den Namen und Schicksalen der jüdischen Bürger/innen, jeweils vor deren letzten frei gewählten Wohnorten in den Boden eingelassen. Eine umfangreiche Darstellung des jüdischen Lebens in Steinheim Ernst Henke und Leo Mayer vorgelegt, auf die hier für weitergehende Informationen hingewiesen sein soll.
Leihgeber
- Bildhauerfamilie Busch-Platz-Stiftung