Gerade die USA sind ein gutes Beispiel für Immigration, haben doch die meisten US-Amerikaner heute ihre Wurzeln in Europa, Asien oder Lateinamerika. Viele ihrer Vorfahren kamen damals mit Schiffen und der Erwartung an ein besseres oder freieres Leben aus Europa. Auch aus Deutschland wanderten die Menschen im 19. Jahrhundert in die Vereinigten Staaten aus und prägten die Kultur des fernen Landes. Nicht nur in Steinheim (Carl Grossmann, Villa Sternau) gab es Agenturen für die geregelte Auswanderung nach Amerika.
Fühlen Sie sich gerne durch das Beispiel des Kurators der Ausstellung dazu angeregt, selbst den Weg Ihrer Vorfahren bis zum heutigen Tage nachzuforschen:
Um die 1880er Jahre sollten der bayrische Bierbrauer Johann Müller und die Bayerin Kunigunda Frank (Fraas), ebenso wie viele andere Europäer, ihre Heimat verlassen, um nach Nordamerika auszuwandern. Ihre Abreise erfolgte mit einem der regelmäßig nach Amerika fahrenden Dampfschiffe von Hamburg oder Bremen aus. Ob die beiden sich gemeinsam auf die Reise begaben oder sich erst in Amerika kennenlernten, ist nicht überliefert. Jedoch heirateten sie in College Point, Queens, New York. Der Ort war zu dieser Zeit eine durch den deutschen Industriellen Conrad Poppenhusen als Fabrikationsort geprägte Kleinstadt mit deutschen Siedlern und dem ersten freien kindergarden Amerikas. Zum Ende des 19. Jahrhunderts gewann unter anderem die Bierbrauerei im Ort an Bedeutung.
College Point im späten 19. Jahrhundert
Bild: The Poppenhusen Institute
Margaretha Goertz, geb. Muller
Bild: Familie Jakob
In College Point wollten sich damals viele Deutsche ein neues Leben aufbauen, so auch Johann und Kunigunda. Am 31. Januar 1890 wird dort ihre gemeinsame Tochter Margaretha Muller geboren. Dass Johann bereits 1901 in Klein-Steinheim starb, zeigt, dass die Familie nur noch ein paar Jahre in Amerika geblieben sein kann. Wieso sie letztlich nach Steinheim kamen, ist unbekannt. Vielleicht lernten die beiden bereits in College Point jemanden aus Steinheim kennen? Im Bundesstaat New York siedelten tatsächlich viele Steinheimer Auswanderer (siehe auch Text zu Henry John Kaiser).
Tochter Margaretha sollte 1918 im Alter von 28 Jahren den aus Belgien und Aachen abstammenden Gerhard Johann Hubert Görtz heiraten. Gemeinsam brachten sie ein Jahr später ihre Tochter Philomene Kunigunde in Klein-Steinheim zur Welt und wohnten in einem Haus in der Bahnhofstraße 21 (heute Ludwigstraße). Philomene Kunigunde selbst heiratete später den aus Eckartshausen in der Wetterau stammenden Wilhelm Friedrich Jakob und hatte mit ihm drei Kinder. Interessanterweise leben Nachfahren einer ihrer beiden Töchter heute mit ihren Familien wieder in den USA. Der nach seinem Großvater benannte Sohn Gerhard heiratete Edith Schmidt aus Bruchköbel. Das einzige Kind der beiden ist Kurator Kai Jakob. Nach eineinhalb Jahrzehnten in Berlin und Aufenthalten in New York City lebt er heute wieder in seiner Heimat. Zusammen mit seiner aus Italien, den USA und Deutschland abstammenden Partnerin hat er einen in Hanau geborenen Sohn.
Seit der Geburt von dessen Ururgroßmutter ist College Point zu einem Stadtteil von Queens in der Metropole New York City geworden und geprägt von asiatischen und lateinamerikanischen Bürgern. Steinheim, wo u.a. viele italienischen Einwandererfamilien schon in vierter Generation zuhause sind, wurde ein Stadtteil der Einwanderer-Stadt Hanau. Gerade für die vielfältige Entwicklung urbaner Regionen ist Migration und Integration essentiell. Menschen verlassen ihre Heimat und lassen sich an neuen Orten nieder, manche kommen wieder zurück. Die Beweggründe dafür sind so vielfältig wie die Menschen selbst.
Leihgeber
- privat