Die Erfindung des Fahrrads fällt etwa in die Gründerzeit des 19. Jahrhunderts, einer Zeit technischer Innovationen, wirtschaftlichen Aufschwungs und der Industrialisierung. Karl Freiherr von Drais erfand um 1817 ein Gefährt, welches als Vorläufer des heutigen Fahrrads gilt. Eine Weiterentwicklung davon waren sogenannte Hochräder, welche mit Pedalkraft zu bewegen waren. Mit der englischen Erfindung der Antriebskette war der Radlerei keine Grenzen mehr gesetzt und allerorts konnte man Menschen beobachten, die sich auf sogenannten Niederrädern fortbewegten. Man nannte sie Velocipeden.
Im ganzen Land wurden Vereine und Clubs gegründet (in Steinheim Frisch Auf, Radfahrverein und Velociped-Club), in welchen man der neuen Leidenschaft gemeinsam nachgehen konnte. Das Bewegen durch eigene Kraft passte hervorragend zum sportlichen Gedanken der etablierten Turnvereine und bot ein neues Freiheitsgefühl.
Michael Herty 1893 und als Tandemfahrer 1894
Bilder: Albin Herty
Velociped Club Klein Steinheim, ca.1920
Bild: aus Sammlung Dr. med. Otto Kunkel; Heike Metko
Als erster professioneller Radfahrer Steinheims gilt Michael Herty. Um 1889 hatte er den ersten Velocipeden seines Lebens in Frankfurt gesehen. Diese Begegnung veranlasste ihn dazu, selbst das Radfahren zu erlernen. Als Sportler war er begeistert vom Fahrradfahren. Der sportliche Ehrgeiz packte ihn und schon 1890 nahm er an einem ersten Rennen in Aschaffenburg teil, welches er gewann. Vom Sieg motiviert, baute Herty sich eine eigene Radrennbahn am heutigen Francheviller Platz, um trainieren zu können. Von da an reihte sich Erfolg an Erfolg: in Frankfurt gewann er gleich das 100-Kilometer-Rennen des Deutschen-Radfahrer-Bundes (1884 in Leipzig gegründet). Allein im Jahr 1894 erlangte Herty 58 erste, 44 zweite und 25 dritte Plätze im Wettbewerb zu anderen deutschen Spitzenathleten des Radsports.
Als Profi gelang ihm in Italien kurz darauf ein Sieg gegen einen der weltbesten Rennfahrer, den Amerikaner Harry Wheeler. Ob Dänemark, Deutschland, Frankreich oder Italien, regelmäßig beherrschte er die internationale Konkurrenz. Der Sieg des Königspreises in Italien brachte ihm eine goldene Uhr und Kette nebst Siegprämie ein. In der Festschrift der Allgemeinen Radfahrer-Union heißt es: „Auf der Bahn haben wir wohl in Herty unseren bedeutendsten Rennfahrer zu erblicken“.
Um seine Familie auch in der Zukunft ernähren zu können, führte Herty in Steinheim ein Fahrradgeschäft, einen Kolonialwarenladen, eine Wirtschaft und ein regional bekanntes Kino mit Saal. Der umtriebige Steinheimer, den man bis zu seinem Tod 1959 nicht von seinem Zweirad zu bekommen schien, war außerdem im Geflügelzuchtverein und in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv.
Herty setzte sich zu Beginn des neuen Jahrhunderts als angesehene Steinheimer Persönlichkeit für seinen Radreifenhersteller Dunlop (1888 das Patent für den Fahrradluftreifen), einen damals noch recht kleinen Handwerksbetrieb, ein. Dunlop wollte auf dem Gebiet der heutigen Mainsiedlung expandieren und suchte nach Fürsprechern innerhalb Klein-Steinheims. Die von der Steinbruchlobby beeinflusste Politik lehnte ab. Herty ging das emotional sehr nahe, da er sich bewusst war, welche große Chance auf Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Strahlkraft seinem Heimatort entging. Die Goodyear Dunlop Tires Germany mit Sitz in Hanau hat heute einen Umsatz von 370 Millionen Euro.
Leihgeber
- Heimat- und Geschichtsverein Steinheim am Main e.V.