Es rauchten nicht nur
die Schlote

  • Zigarrenschneidemaschine, Gebrüder Ott Hanau, 19.–20. Jahrhundert
  • Zigarrenpresse aus der Zigarrenfabrik Kaltschmied, 19.–20. Jahrhundert
  • Zigarrenkistchen, 19.–20. Jahrhundert

Neben dem Druckereigewerbe, den Ziegeleien und der Steinbrecherei war auch die Zigarrenherstellung ein Wirtschaftszweig in Steinheim. Seit Beginn des 16. Jahrhunderts wurde Tabak aus Amerika nach Europa importiert. In Steinheim selbst wurde schon ab 1700 Tabak angepflanzt und im unteren Freiraum des alten Rathauses mit einer Presse verarbeitet.

In der Zeit um den Dreißigjährigen Krieg kam das „Tabaktrinken“, wie man damals das Rauchen von Tabak zu nennen pflegte, auf. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Steinheim größere Anbauflächen und Fabrikationen. Auch wurde mittels Trocknung durch Herabhängen in einer Scheuer der sogenannte Scheuerbambel (bambelt von der Decke der Scheuer) hergestellt.

„Raucht Zigarren“, Nationalsozialistische „Demonstration“, 1. Mai 1935

Bild: Medienzentrum Hanau-Bildarchiv / MZHU6009_B01

Alte Fabrikation für Zigarrenkisten in der Schönbornstraße 21

Bild: Medienzentrum Hanau-Bildarchiv / MZHU6009_B01

Um 1850 eröffnete in Groß-Steinheim eine Zigarrenfabrik der Firma Hosse im alten Stockumschen Gut (Villa Stokkum). Weiter entstanden größere Fabrikationen von Gerhäuser im Huttenhof, Grüneberg oder auch Kaltschmied (später Bernard) in der Darmstädter Straße (heutiges Schuhaus). Kleinere Herstellungsorte fanden sich bei Spielmann neben dem alten Rathaus, Josef Adam in der Kleinen Vorstadt, Gottlieb Disser in der Schönbornstraße und den Gebrüdern Becker bei der alten Post. Bürgermeister Braun unterhielt eine kleine Zigarrenproduktion in einem Viehstall seines Hauses in der heutigen Valentin-Braun-Straße und es wird noch viele andere „private“ Produktionsorte gegeben haben. Der Gastwirt und Bürgermeister (1886 – 1892) Paul Stahl baute 1881 den Hanauer Hof in Klein-Steinheim (späteres Rathaus und heutiger Stadtteilladen) wo er der Zigarrenfabrikation nachging. Die Carl & Wilhelm Castanjen Cigarettenfabriken Duisburg am Rhein unterhielten außerdem eine größere Dependance in Groß-Steinheim um die Jahrhundertwende.

Zu dieser Zeit waren ca. 600 Beschäftigte in der Steinheimer Tabakindustrie angestellt, wenn auch die Löhne so niedrig waren wie die Verkaufspreise der Tabakwaren selbst. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts öffneten unter anderem noch die Fabriken Seelich (um 1911) und Baeker (um 1929). Passend zu den Zigarren lieferten Jakob und Markus Gesser aus ihrer Fabrik in der Schönbornstraße Zigarrenkisten, die Druckerei Illert und Ewald Etiketten. So konnte der komplette Produktionszyklus in Steinheim vollzogen und den Bürger*innen viele Arbeitsplätze angeboten werden.

Mit der Wirtschaftskrise vor dem Zweiten Weltkrieg ging auch die Steinheimer Zigarrenindustrie ihrem Ende entgegen, woran auch die Teilnahme von Arbeiterinnen bei der „Demonstration“ der Nationalsozialisten am 1. Mai 1935 nicht mehr ändern sollte.

 

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